Der Kreuzweg von Schwester Primosa

Der Kreuzweg in der Herz-Jesu-Kirche wurde geschaffen von Schwester Primosa Herget (1913 – 2002), Vinzentinerin in Untermarchtal. Es handelt sich bei den Bildern um Farbholzschnitte in den vier Farben Schwarz, Weiß, Rot und Gelb. Rot ist die Farbe des Königs, Gelb die der Erdhaftigkeit, der Sünde.

Weitere Exemplare dieses Kreuzwegs finden sich in der Josefskirche in Herrenberg (fünf Gruppen à drei Bilder) und im Seniorenzentrum St. Vinzenz in Wangen; außerdem auch im Seniorenzentrum St. Anna im Schwäbisch Gmünd, dort allerdings nur in Schwarzweiß.

Traditionell haben Kreuzwege meist nur vierzehn Stationen; hier jedoch gibt es bereits eine fünfzehnte Station der Auferstehung: So steht am Ende nicht der Sieg des Todes, sondern das Leben, die Hoffnung eines jeden Christen.

Das Kreuz reicht in allen Stationen über die Ränder der Bildausschnitt hinaus. Es ist immer größer als das, was man sieht. Jesus trägt mehr als man wahrnehmen kann.

Christus hat in den Stationen eins bis vierzehn keinen Heiligenschein. Die Herrlichkeit Jesu ist verhüllt und nicht zu sehen. Sie wird erst in der fünfzehnten Station sichtbar, in der Station der Auferstehung – hier ist er der Christus.

In den Stationen sind nur wenige Personen dargestellt. So wird das Augenmerk fokussiert.

Die vierte, sechste, achte und die zehnte Station sind Stationen der Ruhe. Hier stockt das Geschehen; die Stationen sind Haltepunkte, laden zum Verweilen ein.

Texte: Horst Sehorsch (Führer zum Kreuzweg in St. Josef in Herrenberg)
Fotos: Dr. Daniel Krähmer

Station I

Jesus wird zum Tode verurteilt

Die erste Station zeigt den Palast des Pilatus. Beherrscht wird der Raum durch zwei bogenförmige Öffnungen im Hintergrund. Licht fällt in den Raum, der sonst ganz in Schwarz gehalten ist. Christus, mit der Dornenkrone auf dem Haupt, steht vor seinem Richter. Er ist barfuß und bekleidet mit einem roten Gewand. Seine Hände sind auf den Rücken gebunden. Vor ihm sitzt Pilatus, bekleidet mit einem gelben Gewand. Sein Kopf ist bedeckt mit einem Kopftuch aus der damaligen Zeit. Er sitzt auf seinem Richterstuhl und wäscht seine Hände in Unschuld. Beide haben Blickkontakt. Eindrucksvoll ist der Ausdruck, die Mimik in beiden Gesichtern.
Es fällt auf, dass Pilatus zu Jesus aufschaut. Die unterschiedlichen Positionen werden durch die Farbgebung der Gewänder sichtbar. Rot ist die Farbe des Königs, Geld die der Erdhaftigkeit, der Sünde. Verstärkt wird der Unterschied noch dadurch, dass die Säule im Hintergrund beide auch optisch voneinander trennt.
Jesus wirkt nicht als der Untergebene. Pilatus ist im Dialog mit Jesus: "Denk daran, dass ich die Macht habe, dich freizulassen, aber auch die Macht, dich ans Kreuz nageln zu lassen." Und die Antwort von Christus: "Du hast nur Macht über mich, weil sie dir von Gott gegeben wurde." Er fällt das ungerechte Urteil und verurteilt Jesus zum Tod am Kreuz.

Station II

Jesus nimmt das Kreuz auf seine Schultern

Das Verhör ist zu Ende, das Urteil gesprochen, das Kreuz gebracht. Die zweite Station wird ganz von Christus und dem Kreuz ausgefüllt. Die Künstlerin hat das Kreuz übergroß dargestellt. So groß, dass es aus dem Bild teilweise verschwindet. Keine, diese und alle folgenden Stationen können das Kreuz in seiner ganzen Größe fassen.

Die Bildsprache zeigt auf, dass dieses Kreuz, dieses Kreuztragen über menschliche Verhältnisse geht, dieses Kreuz auch für Jesus schwer ist. In dieser zweiten Station wird deutlich, wie ihn das Kreuz niederdrückt. Trotzdem nimmt Jesus das Kreuz auf seine Schulter und damit die Schuld der ganzen Welt. Die Kordel seines Gewandes, zusätzlich um das Kreuz geschlungen, verstärkt die Kreuzannahme.

Bemerkenswert ist, dass er jetzt zusätzlich zu seinem roten Gewand einen gelben Umhang trägt. Der Umhang hat die gleiche Farbe wie das Gewand des Pilatus. Mit dem Gewand und der symbolischen Farbe Gelb wird auf die Schuld des Pilatus hingewiesen. Jesus nimmt diese und jede menschliche Schuld mit auf seinen Leidensweg.

Station III

Jesus fällt zum ersten Mal unter dem Kreuz

Die dritte Station wird ganz von Christus und dem Kreuz bestimmt. Christus strauchelt und fällt auf die Knie. Seine rechte Hand stützt sich am Boden ab, wobei die linke Hand das Kreuz nicht loslässt. Es gibt kein Ausruhen. Sein Weg, seine Passion, sein quälender Aufstieg hinauf nach Golgotha hat begonnen.

Jakobus von Verona spricht 1335 schon von einem Sturz Jesu aus Schwäche (lateinisch: cecidit ex debilitate). In den Kreuzwegdarstellungen sind daraus gleich drei Fälle geworden; sicherlich aus der schmerzlichen Erfahrung heraus, dass der Mensch immer wieder seiner Schwachheit Tribut zollen, aber auch immer wieder aufstehen muss.

Dieses Drei-Mal-Fallen unter dem Kreuz, die Stationen drei, sieben und neun, können auch so gesehen werden, dass der Mensch ganz tief fallen muss, ganz leer werden muss, damit wieder Neues entstehen kann. Aber es geht nicht bloß um den Sturz, sondern ebenso um den Mut, sich wieder aufzuraffen. So wird für den Betrachter der fallende und immer wieder aufstehende Jesus zum Vorbild.

Station IV

Jesus begegnet seiner Mutter

Die Station "Jesus begegnet seiner Mutter" ist in den Evangelien nicht zu finden. Die Tradition sagt aber: Wenn Maria mit Johannes unter dem Kreuz stand (Joh 19, 25ff) ist es doch denkbar, dass sie auch am Wegesrand stand. Sie wird also auf ihn gewartet haben. Jetzt tritt sie an hin heran. Nur Jesus, das Kreuz und Maria sind zu sehen.

Das Geschehen stockt. Jesus wendet sich ihr zu.

Seine Aufmerksamkeit gilt der eigenen Mutter, die er durch seine Zuwendung in ihrem Schmerz zu trösten versucht. Ihre Blicke begegnen sich. Ihre Hände berühren sich. Marias Hand ergreift seinen linken Arm. Ihr rechte Hand ruht in seiner Hand. Es ist eine nach oben geöffnete Hand. Eine Hand, die nicht festhält. Eine Hand, die auffängt, aber auch loslässt. Der, der getröstet werden sollte, tröstet seine Mutter. Aber Jesu rechte Hand lässt das Kreuz nicht los.

Das Kreuz steht zwischen Jesus und Maria. Das Kreuz trennt die beiden. Es ist ein stummes Fragen: "Warum all dies?" Er weiß um seinen Weg, und die Mutter lässt ihn gehen.

Station V

Simon von Cyrene hilft Jesus das Kreuz tragen

Zwei Personen sind zu sehen. Christus und Simon von Cyrene. Es ist ein unter dem Kreuz gebeugter Jesus, ein nachdenklicher Jesus. Seine Augen sind geschlossen, und wir sehen Simon, der ihn mit einem fragenden Blick anschaut. Wer bist Du? Diesem Menschen, den er überhaupt nicht kennt, soll er das Kreuz tragen! Es ist ein Kreuztragen ohne Mitleid.

Meisterhaft ist die Mimik im Gesicht von Simon dargestellt. Hier ist das "Nichtverstehen" deutlich sichtbar. Und der Christus? Sein Blick ist gesenkt. Er muss sich helfen lassen von einem Menschen, der dazu gezwungen wird. Solche Hilfe belastet.

Das Leid wird durch erzwungene Hilfe nur schwerer. Aber Simon, kräftig dargestellt, lädt das Kreuz auf sich und trägt es stumm. Die Kordel von Jesu Gewand verbindet beide. Den Christus und Simon, sie sind miteinander verbunden, aufeinander verwiesen. Seine Hand lässt das Kreuz nicht los. Es ruht auf seiner Schulter. So tragen beide das Kreuz und Simon ist mit seinem Herrn auf ungeahnte Weise doch verbunden.

Station VI

Veronika reicht Jesus das Schweißtuch

Die Dramatik des Geschehens stockt. Pilgerberichte erzählen davon, dass das Haus der Veronika am Wege stand. Drei Personen sind zu sehen. Im Vordergrund Jesus und Veronika. Im Hintergrund, durch das Kreuz getrennt, eine dritte Person. Unser Blick wird auf das Geschehen im Vordergrund gelenkt. Veronika kniet vor Jesus und reicht ihm ein weißes Tuch. Jesus gibt ihr mit beiden Händen das Schweißtuch zurück. Sie sind durch das Tuch miteinander verbunden, und er schenkt ihr Sein Bild. Sie, die ihm das Gesicht von Schweiß und Staub säuberte, sie, die Schenkende, wird beschenkt durch sein Abbild im Tuch. In ihrem Namen finden wir die Worte "vera ikon", d. h. wahres Gesicht. Sie konnte sein "wahres Gesicht" schauen, indem sie Mitleid gezeigt hat. Auch für uns, die Betrachter, wird das Gesicht Jesu sichtbar.

Aber welches Geheimnis verbirgt sich hinter der dritten Person? Der Mann schaut dem Geschehen vermeintlich unbeteiligt zu, so, als ob er mit der Situation nichts anfangen kann. Das Kreuz trennt ihn von dem Geschehen, trennt ihn von Jesus und Veronika, trennt ihn vom Erkennen. Er kann nicht begreifen, was sich gerade vor seinen Augen ereignet. Es ist nicht Simon, denn der Mann ist anders gekleidet. Es ist kein Scherge. Kein Scherge würde sich herablassen, das Kreuz zu tragen. Wer ist dieser Mann und was soll er in dieser Szene bewirken? Eine Antwort könnte sein: Diese Person steht stellvertretend für uns. Wir sind aufgefordert, hinzuschauen: Im Helfen, im Kreuztragen, im Barmherzigkeit Weitergeben, das wahre Bild des Christus zu erkennen, um so beschenkt zu werden wie Veronika. Als "Oase der Barmherzigkeit" wurde diese Station bezeichnet.

Station VII

Jesus fällt zum zweiten Mal unter dem Kreuz

Ein zweites Mal fällt Jesus. Kopfüber stürzt er mit dem Kreuz, das er nicht loslässt, zu Boden. Dieses Fallen wird dadurch verstärkt, dass das Kreuz mit der Kopfseite des senkrechten Balkens mit auf dem Boden aufschlägt.

Die unglaubliche Last ist es, die Jesus zusammenbrechen lässt. Ein zweites Mal fällt Jesus. Aber noch liegt er nicht am Boden.

Mit dem linken Arm kann er sein Fallen gerade noch auffangen. Er geht seinen Weg, obwohl der am Ende seiner Kräfte ist.

Station VIII

Jesus begegnet den weindenden Frauen

Es sind zwei Frauen, die auf ihn warten. Er unterbricht seinen Leidensweg und schaut sie an. Sie haben Blickkontakt. Er erkennt ihre Nöte, trotz seiner Not. Die Frauen sind ihm nicht gleichgültig.

Er sieht in ihren Gesichtern die Ratlosigkeit. Ihre Hände unterstreichen dies. Die eine Frau bedeckt ihr Auge und drückt so ihr Erschrecken aus. Die andere Frau hat die Hände über der Brust. Handstellungen, die uns vertraut sind. Angst ist dargestellt und Hilflosigkeit. Sie schauen ihn bewusst an. Sie wollen eine Antwort auf ihre Fragen nach dem Leid. Sie weinen um ihn, sie leiden mit ihm.

Es ist ein stummes Fragen. Jesus sagt ihnen, sie sollen nicht weinen über sich und ihre Kinder, nicht über ihn. Sie sollen die Menschen beklagen, die die Liebe verkennen.

Station IX

Jesus fällt zum dritten Mal unter dem Kreuz

Nur das Kreuzh und Jesus sind in dieser neunten Station zu sehen. Das Kruz liegt übergroß über ihmn und hat die Form des griechischen Buchstabens Chi, und dieser gilt als Symbol für Jesus Christus. Das griechische X ist der erste Buchstabe des Namens (Christus = Gesalbter, Messias) und symbolisiert zugleich auch das Kreuz. Mit diesem Kreuzsymbol wird auf Jesus Christus verwiesen, der nach dem Neuen Testament der von Gott zur Erlösung aller Menschen gesandte Messias und Sohn Gottes ist.

Jesus liegt gekrümmt am Boden und vergräbt seinen Kopf in beiden Armen. Welch eine Szene, welche Not und Hilflosigkeit ist hier dargestellt. Ja, ein drittes Mal ist Jesus zusammengebrochen. Jetzt ist er ganz tief gefallen und erst jetzt lässt er das Kreuz los. Alles ist so überschwer für ihn geworden. Die ganze Aussichtslosigkeit, die ganze Verzweiflung ist hier dargestellt. Er ist am Ende seiner Kraft und doch weiß er, er kann nicht liegenbleiben. So trägt er das Kreuz bis nach Golgota.

Station X

Jesus wird seiner Kleider beraubt

Sein Schicksal ist besiegelt. Die Würfel sind gefallen. Der Becher liegt umgestürzt am Boden. Das Gewand, aus einem Stück genäht, ist verlost. Kein Scherge ist zu sehen, nur Jesus unter dem Kreuz.

Von Raub, von Brutalität, von Erniedrigung, von der Verletzung seiner Würde durch die Schergen trägt das Bild aber keine Spur. Ein nachdenklicher Christus ist unter dem Kreuz zu sehen.

Das Kreuz hat die Form eines T. Es wird auch Antoniuskreuz oder Taukreuz genannt. In der christlichen Lehre gilt das Taukreuz unter anderem als Bußzeichen. Der Name Taukreuz leitet sich vom 19. Buchstaben des griechischen Alphabets (Tau) ab. In der Offenbarung des Johannes wird ein entsprechendes Siegel als Symbol zur Kennzeichnung der Gläubigen verwendet, die erlöst werden sollen. Es steht also für Demut und Erlösung. All dies sind Hinweise, um dieses außergewöhnliche Bild, das so gar nicht in der biblischen Geschichte vorkommt, erklären zu können.

"Christus in der Rast", so wird die Szene auch genannt. Bei der hier gezeigten Darstellung stützt Jesus einen Ellbogen an den Schenkeln auf und hält das Kinn bzw. eine Wange mit einer Hand, eine alte Geste der Klage. Der Sinn der Szene ist deutlich. Jesus selbst lädt uns ein, seine Entblößung und sein Schicksal, sein Leben und Sterben mit ihm zu bedenken.

Station XI

Jesus wird an das Kreuz genagelt

Jesus und zwei von den üblichen vier Schergen sind zu sehen. Bis jetzt hat er sein Kreuz getragen, jetzt wird er auch eins mit ihm.

Das Kreuz wird zum Symbol. Ein Scherge bindet ihn ans Kreuz. Die Arme werden ihm um das Holz gebunden, wie die Ranken eines Weinstocks.

Der andere Scherge schlägt die Nägel in die Beine. Die ganze Brutalität, Grausamkeit und Unzumutbarkeit des Geschehens kommt in diesem einzigen Hammerschlag des Schergen zum Ausdruck, aber auch die Frucht der Erlösung, die hier bereitet wird.

Station XII

Jesus stirbt am Kreuz

Wir sehen den am Kreuz hängenden Jesus, der sich Maria zubeugt. Jesus hat Bodenkontakt und steht auf gleicher Ebene wie Maria. Beide Gesichter berühren sich. Die Mutter liebevoll als würde sie ihm etwas sagen, und er hört zu.

Es ist aber auch so, dass Maria zuhört, seinen Auftrag annimmt, der ihr von ihm übergeben wird und den sie bejaht. Welchen Auftrag?

Die Farben lösen das Rätsel dieser Situation. Maria hat plötzlich ein rotes Gewand an und eine gelbe Kopfbedeckung. Die rote Farbe symbolisiert zwar das Leid, das gemeinsame Leid, die Passion und die Würde. Jesus gibt sein rotes Gewand, das symbolisch für Leiden und Sterben steht, nun am Maria weiter. Maria ist hier Symbol für die Kirche bzw. für das Volk Gottes. Das gelbe Kopftuch sagt aus, dass die Kirche hier in der Welt verbleibt und so immer wieder an Jesus, sein Leiden und Sterben erinnert und Teil hat an der Schuld der Welt, aber auch für seine Auferstehung Zeugnis ablegen soll: "Gib meine Liebe weiter."

Station XIII

Jesus wird vom Kreuz abgenommen und in den Schoß seiner Mutter gelegt

Als Pieta wird die Szene bezeichnet. Die "Pieta" ist eine Darstellung Marias, die den vom Kreuz abgenommenen Körper Jesu im Schoß seiner Mutter zeigt. "Pieta" kommt vom lateinischen Wort für Frömmigkeit. Deshalb zieht die Figurengruppe Beter an, die Trost in ihrem Leid suchen, und sie nimmt unser Leiden in die Gefährtenschaft Gottes hinein.

Schwer liegt der tote Leichnam im Schoß der Mutter. Sie ist sprachlos. Liebevoll streichelt sie sein Gesicht. In der Figurengruppe sind die Ausdruckszeichen menschlichen Schmerzes eindrucksvoll dargestellt. Die Leiter im Hintergrund weist bereits über das Geschehen hinaus.

Die Farben Gelb und Rot in der Bekleidung von Maria verweisen auf die Botschaft der zwölften Station. Maria ist hier auch Symbol für die Kirche. Der Leib Christi ruht in der Kirche und damit in jedem Christen, der Leid trägt. Deshalb ist Maria nun mit seinem roten Gewand bekleidet, als Symbol der Würde und der Übergabe seiner Berufung zur Erlösung. Das gelbe Kopftuch steht für die Aufgabe der Kirche in der Welt und für ihre irdische und auch sündhafte Gestalt.

Station XIV

Der heilige Leichnam Jesu wird in das Grab gelegt

Wir sehen eine verschlossene Tür; davor Maria Magdalena, die nicht weiß, wie es weitergeht. Sie hat keinen Einlass für das Geheimnis, das hinter der verschlossenen Tür sich bereits vollzieht. Sie greift sich an den Kopf. Sie ist am Ende – mit ihrer Hoffnung, mit ihrem Glauben. Wir sehen ein Gefäß stehen und die abgelegten Leinentücher. Sie liegen außerhalb des Grabes. Der Krug ist in einem kräftigen Rot gefasst, die Türscharniere haben die gleiche Farbe. Das Rot, das in seinem Umhang sichtbar wurde, steht als Symbol für das Leiden und für die nicht raubbare, von Gott geschenkte Königswürde, die keinem Menschen genommen werden kann. Sein Leiden und Sterben, seine Passion bleibt verankert in dieser Welt, auch in der Kirche. Die Türscharniere sind in der Farbe Rot, kaum vernehmbar wird seine Würde wieder sichtbar.

Das Besondere an dieser Szene ist, dass wir als die Beobachter bereits mehr erkennen als Maria Magdalena. Wir sehen den Lichtschein durch die Fugen der verschlossenen Türe schimmern. Wir ahnen bereits, dass hier sich im Geheimnis etwas vollzieht. Elmar Gruber beschreibt eine solche Situation wie folgt: "Die Dunkelheit des Grabes ist nur Schatten. Schatten des ewigen Lichtes, des ewigen Lebens. Dieses Licht geht uns am Grabe auf." Dies wird im Lichtspalt sichtbar. Dieser Lichtschein führt uns in die fünfzehnte Station, die Station der Auferstehung. Der spärliche Lichtschein im Leiden und im Tod wird zum Beginn des Auferstehungslichtes.

Station XV

Die Auferstehung

Nach Verurteilung, Leiden, Sterben und Tod am Kreuz, nach vierzehn Stationen des Leidensweges Jesu, die fünfzehnte Station, die Station der Auferstehung. Im Vordergrund sieht man einen Wächter des Grabes regungslos am Boden niedergestreckt.

Im Matthäusevangelium heißt es: "Die Wächter erschraken so sehr, dass sie wie tot zu Boden fielen" (Mt 28, 4). Wir sehen den auferstandenen Jesus, bekleidet mit dem Mantel der Königswürde und mit der Siegesfahne. Seine Wundmale sind zu erkennen, er bleibt der Gekreuzigte, denn er hat nicht umsonst gelitten. Seine linke Hand ist segnend erhoben, und zum ersten Mal wird mit dem Heiligenschein die Aura des Göttlichen sichtbar. Christus ist erstanden, so müssen wir verkünden. Am Ende steht nicht der Sieg des Todes und der Trostlosigkeit, sondern das ewige Leben, die Hoffnung für jeden.

Die Vita der Schwester Primosa Herget

1913
In Frankfurt am Main geboren. Besuch des Herder Lyzeums. Berufliche Tätigkeit als Sekretärin in Frankfurt und Berlin

1942
Eintritt in die Gemeinschaft der Barmherzigen Schwestern in Untermarchtal

1942 – 1945
Ausbildung zur Krankenschwester in der Krankenpflegeschule am Marienhospital in Stuttgart

1948 – 1953
Studium der Kunsterziehung an der Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart. Studium der freien Grafik bei Prof. Karl Rössing. Examen in Kunst- und Werkerziehung bei Prof. Gollwitzer und Prof. Hils

1953
Entstehung des Kreuzweges. Die fünfzehn Stationen sind als Farbholzschnitt gefertigt. Maße: Höhe 50 cm, Breite 40 cm, Farben: Gelb, Rot, Schwarz, Weiß. Die Ausführung erfolgte durch Druck von einer Platte und gesondertem Einfärben.

Bis 1975
Lehrerin für Bildende Künste im Töchterinstitut St. Loreto, Schwäbisch Gmünd

Freiberufliche Tätigkeit: Farbholzschnitte, Malerei und Bildwesen, Glasfenster in Blei- und Betonglas sowie Wandmosaike, Gobelins

Beeinträchtigung, des künstlerischen Schaffens durch eine fortschreitende Augenerkrankung, mit zuletzt nur noch 10 % Sehvermögen. Aquarell-Malerei bis zuletzt

2002
Unerwarteter Tod am 29. November 2002

Quelle: Kloster Untermarchtal